Vor vielen Monaten hatte ich bereits einen kurzen Bericht über die Veranstaltung „Schwerter, Brot und Siele“ im Archäologischen Park Xanten, kurz APX genannt, veröffentlicht. Ich hatte die Museumsanlage bisher immer nur im Rahmen dieser Veranstaltung besucht. Nun wollte ich das Gelände einmal nicht im Gedränge der Besucher erleben, sondern mehr oder weniger allein das Areal erkunden. Ich fand mich also an einem Montagmorgen pünktlich um 9 Uhr vor den Toren der Anlage ein.
Der APX, eröffnet im Jahr 2008, versucht die alte römische Stadt Colonia Ulipa Traiana, die einst an dieser Stelle stand, wieder sichtbar zu machen. Durch bisher mehr als 50 archäologische Grabungen konnten 18 % der antiken Stadt erforscht werden. Das Museumsgelände umfasst mittlerweile fast die komplette Fläche über die sich Colonia Ulipa Traiana (im weiteren CUT genannt) einst erstreckte, also ungefähr ein Gebiet von 900 x 900 Metern. Das besondere an CUT ist nämlich, dass die alte römische Stadt nicht wieder überbaut wurde, wie es sonst bei allen römischen Städten nördlich der Alpen geschehen ist. Ungewöhnlich ist auch die Darstellung der alten Gebäudestrukturen, die von den Verantwortlichen des Museumsparks ganz unterschiedlich gewählt wurden. Einige Gebäude wurde komplett rekonstruiert, einige nur teilweise, an anderen Stellen wurden Grundrisse durch Hecken und Baumreihen kenntlich gemacht und einige Bereiche wurden im Originalzustand belassen und mit Schutzbauten überdacht. Neben den Gebäuden wurden natürlich auch unzählige Gegenstände ausgegraben. Eine Auswahl dieser Fundstücke wird in einem zentralen Gebäude auf dem Museumsgelände ausgestellt. Neben diesen Dingen zum betrachten, bietet das Museum aber auch eine Vielzahl von Dingen zum erleben. So kann man in der Herberge übernachten, römisch essen und ein funktionsfähiges Badehaus besuchen. Ein weiteres Erlebnis sind die zahlreichen Veranstaltungen, wie das schön erwähnte Spektakel „Schwerter, Brot und Spiele“. Außerdem wird das Gelände jedes Jahr um Gebäude und Ausstellungsbereiche erweitert, so dass sich auch ein zweiter oder dritter Besuch lohnt. Natürlich wurde auch an den Besuch von Kindern und Schulklassen gedacht, für die ganz unterschiedliche Aktionen und auch ein gigantischer Spielplatz zur Verfügung stehen. Durch die Größe, Vielfalt und Darstellung, ist der APX für mich das mit Abstand interessanteste Museum Deutschlands.
Der erst kürzlich fertig gestellte neue Haupteingang des Archäologischen Parks. Rechts und links davon wird ein weiterer Abschnitt der Stadtmauer entstehen.
Die gelb markierten Bereiche wurden bereits ausgegraben.
Die Museumsanlage und die unterschiedlichen Bereiche, die besucht werden können.
So in etwa muss die Stadt in ihrer Blütezeit ausgesehen haben.
Das Museumsgebäude der Anlage, das in der äußeren Gestalt den großen Thermen von CUT nachempfunden ist.
Im Museum führt ein Weg den Besucher vom Eingangsbereich bis unter das Dach des Hauptgebäudes. Man folgt dabei der Geschichte der Stadt und es Militärlagers von der ersten Besiedelung bis zum Untergang.
Ein großartiges Modell der Stadt vermittelt dem Besucher einen Überblick. Die farbigen Elemente kennzeichnen die bereits erforschen Stadtgebiete.
Auf großen Bildschirmen wird ein virtueller Stadtrundgang geboten, der mit Hilfe von realen Personen und Computergrafik ein lebendiges Straßenbild erzeugt.
Im Museum sind viele ausgewählte Fundstücke aus der Region zu bewundern. Hier zu sehen ist der nach seinem Fundort benannte „Lüttinger Knabe“, der als bedeutendster Bronzefund nördlich der Alpen gilt.
Interessant sind aber auch die vielen Alltagsgegenstände, die im Museum zusammengetragen worden sind.
Jede idealtypische römische Stadt wurde von den beiden Hauptstraßen, dem Cardo Maximus und dem Decumanus Maximus in vier gleichgroße Viertel durchschnitten. Die ehemaligen Straßenverläufe sind im Park durch Baumalleen gekennzeichnet.
In vielen Räumen der rekonstruierten Häuser findet man Ausstellungen zu ausgewählten Themen. Hier wird beispielsweise das politische System des römischen Reiches erläutert.
Ein Blick auf die rekonstruierten Gebäude. So könnte ein typische Straßenbild in Colonia Ulipa Traiana ausgesehen haben.
Und ständig wird weiter geforscht und gegraben. Aktuell gibt es 3 Grabungen im Stadtgebiet.
Wie bei den schon erwähnten Ausstellungen, werden in kleinen Pavillons Themen des römischen Alltags näher beschrieben. Hier geht es beispielsweise um die Bautechnik der Römer.
Der Kinderspielplatz der Anlage besteht aus einer riesigen Holzfestung und einem Wassergarten, in dem man römische Technik nacherleben kann.
Geschichte
Das römische Reich besaß zur Zeit des Kaiser Trajans im zweiten Jahrhundert n. Chr. eine Ausdehnung von Spanien bis Syrien und von Nordafrika bis Britannien. Etwa 150 Orte hatten das höchste Stadtrecht und durften sich COLONIA nennen. In der römischen Provinz GERMANIA INFERIOR (Niedergermanien) gab es nur zwei, die diesen Titel führten. Es waren Colonia Claudia Ara Agrippinesium, das heutige Köln, und COLONIA ULPIA TRAIANA, das einst am Rand der heutigen Stadt Xanten lag.
Fundstücke eines Germanischen Kriegers aus der Region.
In vorrömischer Zeit siedelten germanische Stämme in kleinen Dörfern am Niederrhein. Sie bewohnte dort die typischen Wohnstallhäuser der Germanen und betrieben vorwiegend Viehzucht.
Die Legionskommandeure mussten auch im Lager nicht auf eine standesgemäße Unterbringung verzichten. Der Amtssitz der 5. Legion umfasste beinahe 8.000 Quadratmeter. Er übertraf damit die größten Villen in Pompeji. Zahllose Räume, Innenhöfe und Gartenanlagen boten ein repräsentatives Wohnen für den Kommandeur, seine Familie, das Gefolge und den Stab.
Um das Jahr 12 v. Chr. kamen erstmals römische Truppen in dieses Region. Sie errichteten das Militärlager VETERA auf dem nahe gelegenem Fürstenberg, denn dieser Ort hatte durch seine erhöhte Lage, die Nähe zum Rhein und als Zugang zur Lippe, auf der man tief nach Germanien vordringen konnte, ein wichtige strategische Bedeutung für das römische Reich. Außerdem lag Vetera an der Grenzstraße, dem Limesweg, der hier im Norden an lang des Rheins verlief. Im Jahre 9 v. Chr,, zu Zeiten des Augustus, war hier vermutlich der Sammelplatz für die 3 Legionen und Hilfstruppen des Varus, bevor diese zur verhängnisvollen Expedition bis nach Kalkriese aufbrachen, wo alle Legionen vernichtet wurden.
In der Regierungszeit des römischen Kaisers Nero waren hier 2 Legionen, also rund 10.000 Mann stationiert. Zu dieser Zeit entstand auch die erste römische Siedung am Ufer des Rheins, die das Militärlager versorgte. Nach dem Tode Neros gab es einen Aufstand der germanischen Bataver (69/70 n. Chr.), in dessen Folge die Siedlung und das Militärlager vollständig zerstört wurden.
Im späten zweiten Jahrzehnt v. Chr. wurde auf dem Fürstenberg eine erste militärische Anlage errichtet. Sie hieß Vetera castra. In den Jahrzehnten danach folgten dem ersten Lager mindestens vier weitere. Die frühen Anlagen haben einen unregelmäßigen Grundriss und sind nur in Ansätzen bekannt. Sie waren in Holz-Bauweise errichtet. Unter Kaiser Nero wurde Vetra massiv in Stein ausgebaut. Es war das größte Militärlager der römischen Welt und beherbergte zwei Legionen.
Nach dem Ende des Aufstandes errichtete man ein zweites Militärlager (Vettera II) an anderer Stelle, in welchem jedoch nur noch eine Legion untergebracht wurde. Die ebenfalls neu errichtete zivile Siedlung erhielt im Jahr 100 n. Chr. das Stadtrecht und Kaiser Trajan gab ihr den Namen COLONIA ULPIA TRAIANA.
Im 2. Jahrhundert n. Chr. prägten bereits prachtvolle Großbauten das Stadtbild. Eine Mauer mit 3 Haupttoren und 3 kleinen Hafentoren umgaben das quadratische Stadtgebiet. Im Zentrum lagen das Forum und der Haupttempel, das Kapitol. Das Volk suchte Zerstreuung und Unterhaltung in den großen Thermen und im Amphitheater. Unmittelbar vor der nordöstlichen Stadtmauer lag ein alter Arm des Rheins, der als Hafen genutzt wurde. Auf Lastschiffen erfolgte die Versorgung der Stadt mit Handelsgütern, Baumaterial sowie Militär und galt als Ausgangsbasis für Patrouillen ins freie Germanien. In diesem Teil von CUT befand sich auch ein zweiter großer Tempel. Das restliche Stadtgebiet umfasste die quadratischen Wohn- und Handwerksviertel, die so genannten Insula. Entlang der Ausfallstraßen vor den Stadttoren lagen die Gräber der Toten. Auf den Gutshöfen im Umland betrieb man Ackerbau und Viehzucht zur Versorgung der Stadt.
Das Herz der Stadt. Das riesige Forum und der Kapitolstempel.
In der Spätantike, um das Jahr 275 n. Chr., begannen die Überfälle durch Krieger der Franken. Viele Bürger verließen die Stadt und die restlichen Bewohnen zogen sich auf eine befestigte Wohninsel (Tricensimae) im Stadtzentrum zurück. Im Jahr 400 n. Chr. wurde die Stadt schließlich völlig aufgegeben und ab dem 5. Jahrhundert beherrschten und besiedelten die Franken die Region.
