So langsam neigt sich das Waterloo-Jubiläumsjahr dem Ende entgegen. Für mich war es deshalb Ehrensache, das Schlachtfeld, die restaurierten Gebäude und das neue Museum noch einmal selbst aufzusuchen. Mein erster Bericht dieses Besuches führt zum Schloss Hougoumont. Noch vor wenigen Monaten befand sich dieser während der Schlacht stark umkämpfte Gebäudekomplex in einem jämmerlichen Zustand. Teile der ehemaligen Schlossanlage drohten einzustürzen. Glücklicherweise konnten durch das Projekt Hougoumont ausreichend Spenden gesammelt werden, um die Anlage in neuem Glanz erstrahlen zu lassen. Im Zuge der Restaurierung wurde nach Möglichkeit der Originalzustand der Gebäude wieder hergestellt. Man nahm außerdem umfangreiche archäologische Ausgrabungen und Forschungen vor, bei denen Beispielsweise die alten Grundmauern des Schlosses ausgegraben wurden und man die gesamte Umgebung nach Fundstücken der Schlacht absuchte. An Hand der Verteilung der gefundenen Gewehr und Pistolenkugeln ließ sich ersehen, wo die eigentlichen Kämpfe stattgefunden hatten. So stelle man fest, dass die Franzosen im Süden nicht durch die Bäume vorgerückt sind, sondern zum größten Teil entlang des Weges, der durch den Wald führte.
Hier ein paar Links, die sich mit der archäologischen Arbeit und der Restaurierung der Gebäude beschäftigen:
http://www.projecthougoumont.com/
http://motherboard.vice.com/read/200-years-later-archaeologists-are-rewriting-the-battle-of-waterloo
Im weiteren Verlauf dieses Berichtes werde ich in Wort und Bild meinen Rundgang durch die Anlage und das Museum erläutern. Follow me…
WEG ZUM SCHLOSS
Vom Löwenhügel kann man den Weg zum Schloss sehen und die Dächer von Hougoumont erahnen. Gut erkennbar ist die Mauer, die den ehemaligen Ziergarten umschloss (links oben im Bild).
Vom Löwenhügel führt ein Sandweg hinab zum tiefer gelegenen Schloss.
Von diesem Weg aus ist auch die Außenmauer des Gartens jetzt deutlich erkennbar.
Auf dem Hohlweg der zum Nordtor führte bewegten sich damals die Verstärkungen sowie die Munitionsversorgungswagen des Royal Waggon Trains.
Von Norden kommend kann man nun endlich einen Blick auf die Gebäudeanlage werfen.
AUSSENANSICHTEN
Man sieht das Nordtor, die große Scheune, die Pferdeställe und den Schuppen neben dem Gärtnerhaus.
Schon im Jahr 1999 hatte ich das Schlachtfeld besucht. Damals sah das Ganze so aus…
Das frisch restaurierte Nordtor, nun endlich wieder mit hölzernen Torflügeln.
Die Südansicht mit Gärtnerhaus, Schuppen, Südtor und der Mauer des Gemüsegartens.
Und auch hier der Vergleich mit 1999. Hier fällt der nicht originale Anbau gleich neben dem Tor auf, welcher im Zuge der Restaurierung entfernt wurde.
Drei uralte Bäume vor dem Südtor stehen noch immer. Sie sind der Rest vom Wald, der südlich von Hougoumont lag und die letzten, leider nicht mehr sehr lebendigen Zeitzeugen der Schlacht.
In den mächtigen Stämmen kann man noch die zahlreichen Löcher von Musketenkugeln finden.
Das Gärtnerhaus mit Südtor.
…und das berühmte Gemälde, welches die gleiche Ansicht inmitten des Kampfes zeigt.
Die Mauer des Gartens an der Südseite.
Hier befindet sich auch die Ehrentafel für den französischen General Bauduin, der im Schatten dieser Mauer beim ersten Angriff auf die Südseite des Schlosses getötet wurde.
AUF DEM HOF
Vom Hauptgebäude, also dem Schloss Goumont (die alte Bezeichnung), welches aus dem 15. Jahrhundert stammt, ist bis auf ein paar Grundmauern nichts mehr zu sehen. Heute kann man die Grundfläche nur noch an einer eigens dafür angelegten Rasenfläche ausmachen.
Das mir Abstand größte Gebäude von Hougoumont ist die große Scheune. Das Dach brannte während der Kämpfe nieder und die steinernen Außenmauern wurden stark beschädigt. Unmittelbar neben der großen Scheune befindet sich der alte Pferdestall, in dem nun der Museumsshop, die Kasse und eine kleine Ausstellung untergebracht sind.
Die alten Tränken im Pferdestall.
Steht man im südlichen Hof, findet man die Rückseite des Gärtnerhauses und die angrenzenden Wirtschaftsgebäude sowie das Südtor. In den Räumen dieser Gebäude befindet sich heute der Sitz der Verwaltungs- und Forschungsgesellschaft.
KAPELLE
Die kleine Kapelle des Schlosses bildet heute den Mittelpunkt der noch existierenden Gebäudeanlage. Als die Franzosen um 14 Uhr begannen Hougoumont mit Haubitzen zu beschießen, geriet das Schloss in Brand. Das Feuer breitete sich durch die Tür der Kapelle in den Innenraum aus, wo die Flammen die Füße der Christusfigur versengten…und dann plötzlich verlöschten. Für die Einwohner der Gegend galt dies natürlich für ein göttliches Wunder und führte zu zahlreichen Legenden. Im Jahr 2011 wurde das hölzerne Kreuz mit der Jesusfigur aus der Kapelle gestohlen, aber durch ein erneutes Wunder tauchte das Kreuz im Oktober 2014 wieder auf.
BRUNNEN
Der Ziehbrunnen in der Mitte des Nordhofes wurde durch Victor Hugos Geschichte „Le Miserables“ berühmt. In dieser Erzählung wird geschildert, wie 300 tote Franzosen in den Brunnenschacht geworfen werden. Eine Legende, wie sich nach einer eingehenden Untersuchung im Jahr 1985 herausstellte.
Nach der Schlacht war der Brunnen erstaunlicherweise noch völlig unversehrt geblieben. Die nachfolgende Zeichnung, die nach den Kämpfen entstanden ist, zeigt den Brunnen (links außen) mit seiner steinernen Ummauerung und dem hölzernen Dach, das gleichzeitig als Taubenschlag diente.
Auf diesem Foto um 1900 sieht man zumindest noch Teile der Ummauerung.
Über dieses Rad lief das Seil für den Wassereimer. Man erkennt die Verankerung, mit der das Rad im Backstein des Brunnenturmes befestigt war.
NORDTOR
Das legendäre Nordtor von Hougoumont. Das Tor wurde von den Verteidigern nicht verbarrikadiert, da durch diesen Zugang frische Truppen und die Versorgung mit Munition sichergestellt werden sollte.
Um die Mittagszeit des 18. Juni gelang es rund 40 französischen Soldaten, angeführt durch den hünenhaften Leutnant Legros, durch das Tor zu brechen. Im Hof entbrannte ein heftiger Kampf, bei dem alle Eindringlinge, bis auf einen unbewaffneten Trommlerjungen, getötet wurden. Als weitere Franzosen durch das Nordtor eindringen wollten, konnte dies durch den umsichtigen Einsatz von 10 Verteidigern verhindert werden. Dieses „Closing the Gates“ wurde nicht nur in vielen Gemälden verewigt…
…auch ein brandneues Denkmal würdigt diese Ereignis, von dem Wellington sagte, das es den Sieg bei Waterloo gesichert hat.
Garten
Durch ein Tor in der nördlichen Mauer des Hofes gelangt man in den ehemaligen Ziergarten des Schlosses. Heute eine offene Wiese, die vor allem für das Biwak bei Reenactment-Veranstaltungen genutzt wird.
Eine hohe Mauer umschließt den Garten im Norden und Osten. Diese Mauern wurden damals in Vorbereitung auf die Schlacht mit Schließlöchern versehen, die bis heute erhalten sind.
Zusätzlich hatten britische Soldaten hölzerne Plattformen und Auftritte gezimmert. An der nordöstlichen Ecke der Mauer wurde jetzt so ein Auftritt als Aussichtspunkt nachgebaut.
Von diesem Punkt hat man einen schönen Blick auf das ehemaligen Schlachtfeld und den Löwenhügel.
Im Garten findet man auch das Ehrenmal für die gefallenen Franzosen, sowie Gräber und Tafeln verschiedener Offiziere.
Ein Blick vom Garten zurück zu den Gebäuden…
Auch der ehemalige Gemüsegarten ist einer einfachen Grasfläche gewichen. Von hier aus hat man einen guten Blick auf die Vorderseite des Gärtnerhauses.
LAGEPLÄNE
Das Foto zeigt die Rekonstruktion der Schlossanlage und des Ziergartens so, wie sie einst ausgesehen haben. Die einzelnen Nummern bezeichnen die verschiedenen Gebäude und Anlagen von Hougoumont: 1. Kuhstall, 2. Offener Schuppen, 3. Scheune, 4. Schuppen, 5. Kuhstall, 6. Brunnen, 7. Hof des Bauerngehöfts, 8. Torbogen, 9. Schloss, 10. Kapelle, 11. Haus des Bauern, 12. Pferdestallungen, 13. Schuppen, 14. Haus des Gärtners, 15. Stall und Arbeitskammer, 16. Turmtreppe, 17. Südtor, 18. Westeingang, 19. Nordtor, 20. Tür zum Garten, 21. Gemüsegarten, 22. Französischer Garten, 23. Obstgarten
Hier ein größerer Ausschnitt, der den Wald, die Wege und Felder der Umgebung mit einbezieht.
Die nachfolgende Zeichnung zeigt die noch erhaltenen Gebäude und Mauern.
Dieser sehr schöne Lageplan von 1899 zeigt alle Gebäude und ihre Lage im Detail.
AUSSTELLUNG
In der kleinen Ausstellung im ehemaligen Pferdestall sind Artefakte zu sehen, die unmittelbar nach der Schlacht in den Gebäuden gefunden wurden. Die Sammlung wurde von Graf Francois-Xavier de Robiano, der das Schloss 1816 kaufte begonnen. Die erste Vitrine zeigt französische Grenadier-Epauletten und Stoff-Kokarden.
In diesem Bild sind verschiedene Fundstücke aus Metall und Leder zu sehen: 1. Lederkokarde vom Tschako eine britischen Kavalleristen der Light Dragoons, 2. Gelber Flintstein von einer französischen Muskete, 3. Ein Stück Blei, mit dem der Flintstein beim einspannen gesichert wurde, 4. Fragment eines Kürasses, 5. Musketenkugel, 6. Knopf vom Uniformrock eines Soldaten des 7. französischem Infanterie Regiments (Dieses Regiment kämpfte nicht bei Waterloo, vermutlich wurde aber ein anderes Regiment provisorisch mit zumindest teilweise diesen Knöpfen ausgestattet), 8. Knopf mit dem imperialen Adler, der zur Uniform eines Soldaten der Garde gehört. 9. Abzeichen mit dem St. Andrew, dem Schutzheiligen Schottlands (vermutlich von einem Bonnet eines Soldaten des 42. Royal Highland Regiments) 10. Medusakopf von einem Bandelier eines französischen Kavalleristen, 11. Eine Messinggranate von einer französischen Patronentasche, 12. Ein französisches Abzeichen in Form von Napoleons imperialer Krone.
Dieses außergewöhnliche Stück ist ein Bonnet (Mütze) aus Wolle, das einem Soldaten von einem der drei schottischen Highland-Regimentern gehörte.
Sehr interessant sind ist die Fotodokumentation, die zeigt wie enorm aufwendig die Restaurierung der Gebäude gewesen ist.
Heute wird im eindrucksvollen Innenraum der großen Scheune die Geschichte und der Kampf um das Schloss mit Hilfe einer aufwendigen Multimedia-Show erzählt. Durch die Musik und die computergesteuerte Drehung der 3 Leinwände ist die Vorführung etwas langatmig, aber das wird durch die einfallsreiche Projektionstechnik wettgemacht.
Ein Blick in die Dachkonstruktion der großen Scheune
EHRENTAFELN
Rund 20.000 Soldaten nahmen insgesamt an den Kämpfen um Hougoumont teil. 6.000 davon wurden während der Schlacht getötet oder starben an ihren Verletzungen. In Erinnerung an Teilnehmer der Schlacht und ihre Taten findet man zahlreiche Tafel, Denkmäler und Gräber in der Schlossanlage.
Soldaten von 3 Regimentern der Britischen Foot Guards waren in die Kämpfe um Hougoumont verwickelt. 2 leichte Kompanien der 1. Foot Guards kämpften im großen Obstgarten unter dem Kommando von Lieutenant-Colonel Lord Saltoun. Die Coldstream Guards verteidigten die Farmgebäude und den Ziergarten. Sie standen unter dem Befehl von Lieutenant-Colonel James McDonald und Lieutenant-Colonel Alexander Woodford. Die 3. Foot Guards waren im Obstgarten und an der Westseite von Hougoumont eingesetzt. Ihr Befehlshaber war Colonel Francis Hepburn und Lieutenant-Colonel Francis Home. Alle 3 Regimenter erhielten im Lauf der Zeit eine eigene Ehrentafel.
Das letzte Bild zeigt die “Gurads Memorial Plaque”, welche im Jahr 1905 von Lieutenant-Colonel McCarthey-Filgate gestiftet wurde.
Für den selbstlosen Einsatz von Soldat Joseph Brewster vom Royal Waggon Train, der Hougoumont trotz heftigem feindlichen Feuer mit Munition versorgen konnte, wurde diese Ehrentafel im Jahr 1979 an der großen Scheune angebracht. Sie hängt so ziemlich genau an der Stelle, an der Brewster mit seinem Wagen hielt, nachdem er das Nordtor passiert hatte.
Zu den vielen bereits vorhandenen Ehrentafeln gesellte sich in diesem Jahr eine weitere. Sie ist den Nassauern gewidmet, die hauptsächlich im Wald vor dem Südtor von Hougoumont die Franzosen bekämpften.
DIORAMA
Dieses tolle Diorama von Hougoumont steht in einem Vorraum zum Rundgemälde von Waterloo, welches gleich neben dem Löwenhügel zu finden ist.
So in etwa muss der Ziergarten des Schlosses ausgesehen haben. Gut erkennbar ist auch die Steinbalustrade, welche den Zier- vom Gemüsegarten trennte.
Im Vordergrund der Gemüsegarten und das Gärtnerhaus sowie das Südtor des Schlosses.
DAS ENDE
Die beiden letzten Gemälde zeigen Hougoumont nach der Schlacht.
