Die 101. Airborne Division wurde im Rahmen der Operation Albany unmittelbar hinter dem Strandabschnitt Utah und südlich von St.-Mere-Eglise, in den Landezonen A, C und D abgesetzt. Ihre Aufgabe war es die 4 Ausgänge dieses Strandes zu sichern, eine deutsche Küstenbatterie bei Saint-Martin-de-Varreville zu vernichten und einige Übergänge über den Fluss Douve zu erobern bzw. zu zerstören. Abschließend sollten eine Verbindung mit der 82. Airborne Division hergestellt werden.
Die ersten Einheiten starteten am späten Abend des 5. Juni mit Flugzeugen des 9. US-Truppentransportkommandos. Doch durch das starke Abwehrfeuer der Flak über Frankreich mussten die Piloten aus ihrer Formation ausbrechen, so dass die Soldaten der Division nach dem Absprung über die gesamte Normandie verteilt waren. Am Ende des ersten Tages hatte erst jeder dritte Soldat wieder zu seiner Einheit gefunden. Die Stadt Carentan, die der Schlüssel zur Kontrolle der Halbinsel war, konnte nach zwei Tagen schwerster Kämpfe erobert werden und musste weitere zwei Tage von der Division gegen einen deutschen Gegenangriff verteidigt werden.
Neben den genannten Missionen galt es auch zwei deutsche Batterien von je vier 105mm Haubitzen des 2. Bataillons, des 191. Gebirgs-Artillerie-Regiments, in der Nähe von Sainte Marie-du-Mont auszuschalten. Am Morgen des 6. Juni 1944 überwältigten eine kleine Patrouille der E Kompanie des 506th PIR unter der Führung von Lt. Richard D. Winters eine vierfache Übermacht und zerstörten die Geschütze, die in der Nähe der Farm Brécourt Manor in ihren Stellungen standen. Dieser sogenannte „Brécourt Manor Assault“ wird noch heute als klassisches Beispiel für Taktik und Führung einer kleinen Truppe gegen einen überlegenden Feind angesehen.
Die Ereignisse
Nachdem die C-47 des Kommandeurs der „Easy“ Kompanie, des 2. Bataillons / 506th PIR der 101st Airborne abgestürzt war und der Kommandeur dabei getötet wurde, ernannte man kurzerhand 1st Lt. Richard Winters zum neuen Anführer der „Easy“ Kompanie. Am Morgen des 6. Juni 1944 konnte Winters sich mit einem Teil seiner Einheit am Gutshof Le Grand Chemin vereinen. Dort erhielt Winters einen Frontauftrag mit den Worten: „Es gibt dort entlang der Hecken Artillerie-Feuer. Nehmen Sie sich der Sache an.“ Ohne jede Art von weiterer Instruktion ging Winters an die Umsetzung.
Lt. Richard Winters
Die Batterie, die Winters mit seiner Truppe zerstören sollte, wurde zunächst als eine Stellung mit 88mm Geschützen gemeldet, die direkt auf den Dammweg schoss, welcher den „Exit 2“ des Landeabschnittes „Utah“ bildete. Dort versuchte gerade die 4. US Infanterie Division ihre Truppen landeinwärts zu bringen. Vor Winters waren schon einige kleine Einheiten an der Erstürmung der Batterie gescheitert. Um 8.30 Uhr sammelte Winters ein Team von 12 Männern um sich, die aus seiner und anderen Kompanien stammten. Zunächst wurde das Ziel ausgespäht, dass südlich der Straße und des kleinen Ortes Le Grand Chemin, hinter einigen Hecken, bei einer Farm mit Namen Brécourt Manor lag.
Der Gebäudekomplex von Brecourt Manor.
Sie erkannten, dass es sich um eine Batterie von vier 105 mm Haubitzen handelte, die durch Schützengräben miteinander verbunden waren. Drei der Geschütze (in der Positionen 2, 3 und 4) lagen an einer Hecke, die diagonal bis zur kleinen Straße bei Brécourt Manor verlief und waren so direkt zur Küste ausgerichtet. Das vierte Geschütz, in der Stellung 1, befand sich ein wenig zurückversetzt und nach Nordwest ausgerichtet. In dieser Position konnte die Haubitze Deckungsfeuer parallel zum Strand schießen. Die Batterie war natürlich per Telefon mit einem vorgeschobenen Beobachter am Strand verbunden, der das Feuer der 4 Geschütze dirigierte. Bei der Batterie handelte es sich vermutlich um die Batterie Nr. 6 des 2. Bataillons, des Gebirgs-Artillerie-Regiments 191. Verteidigt wurde die Batterie durch einen Zug (ca. 60 Mann) deutscher Soldaten sowie einigen MG-Stellungen. Eines der MG Teams war im Schützengraben zwischen der Geschützstellungen 1 und 2 positioniert, die restlichen MG’s verbargen sich in der Hecke gegenüber der Rückseite der Batterie und ein weiteres befand sich im Farmgebäude, von wo aus die Straße beobachtet werden konnte.
Blick aus Richtung Strand nach Brecourt Manor. Man erkennt gut die extrem hohe Bocage an den Straßenrändern.
Detailplan von Brecourt Manor und der Umgebung.
Und hier der Blick von Brecourt Manor in Richtung Strand.
Lageplan der deutschen Stellungen und die Position der US-Angreifer.
Die Wiese mit der Hecke, an der die Batterie aufgestellt war.
Lt. Winters berichtete später, dass es sich bei den Sicherungskräften um eine Einheit des 6. Fallschirmjäger Regiments gehandelt haben soll. Allerdings war zu diesem Zeitpunkt der Gefechtsstand des III. Bataillons des 1058. Grenadier-Regiments in Sainte Marie-du-Mont stationiert, was vermuten lässt, dass Soldaten dieses Regiments die Batterie sicherten. Beide Regimenter, das 6. Fallschirmjäger Regiment und das 1058. Grenadier-Regiment waren übrigens Bestandteile der 91. Luftlande-Division und vielleicht ist damit die Verwechslung von Winters zu erklären. Es gibt jedoch auch die Version, dass die Besatzung der Batterie geflohen war und durch Männer des 6. Fallschirmjäger-Regiments und weiteren Freiwilligen ersetzt wurden.
Gebirgs-Artillerie-Regiment 191
Gefechtsstand: Les Carrières
Kommandeur: Oberstleutnant Heinrich Kiewitt
I. Battalion (12 x 105 mm Gebirgs-Haubitzen (GebH 40) / 4 je Batterie)
Gefechtsstand – Blandamour
1. Batterie. – Besneville
2. Batterie. – Farm St. Anne / Bricquebec
3. Batterie. – Holdy
II. Battalion (12 x 105 mm Gebirgs-Haubitzen (GebH 40) / 4 je Batterie)
Gefechtsstand – Lossière
4. Batterie. – St.-Mère-Èglise
5. Batterie. – La Jardinerie (5 kilometers northwest of Montebourg)
6. Batterie. – Brécourt Manor
III. Battalion (12 x 15 cm Schwer-Feldhaubitzen (sFH 18) / 4 je Batterie)
Gefechtsstand –nördlich von La Haye du Puits
7. Batterie. –La Haye du Puits
8. Batterie. – dem 6. Fallschirmjäger Regiment zugeteilt
9. Batterie. – Chateau de Benaville à Picauville
Anhand von Fotos der US Armee aus dem Jahr 1944 und aufgrund von auf dem Gelände der Batterien Brecourt und Holdy gefundenen Munitionskisten sowie einigen Geschosshülsen, soll es sich bei den Geschützen um 10.5 cm leFH18/40 gehandelt haben.
Die Gruppe um Winters näherte sich der Front der Batterie von Nordosten kommend. Bei ihrer Ankunft an der Ecke zwischen der Geschützstellung 1 und 2 entwickelte Winters schnell einen Plan für den Angriff. Er ließ rechts und links von seiner Position zwei M1919 .30 Kaliber Maschinengewehre in Stellung gehen, die für das notwendige Deckungsfeuer sorgen sollten und sandte 3 Mann, 2d Lt. Lynn D. Compton, Sgt. Joseph D. Toye und Sgt. William J. Guarnere zum deutschen Maschinengewehrnest zwischen Stellung 1 und 2, welches sie mit Granaten ausschalten sollten. Unterdessen kletterte Platoon Sgt. C. Carwood Lipton in einem Baum, der ihm zwar keine großartige Deckung bot, allerdings auch ein gutes Schussfeld auf den Feind lieferte. Er eröffnete das Feuer, wurde jedoch schnell durch Gegenfeuer gezwungen den Baum wieder zu verlassen. Von dort, auf der linken Flanke der Angriffsgruppe, schoss er zusammen mit Sgt. Mike Ranney weiter auf die Geschützstellungen der Deutschen. Jetzt führte Winters mit Cpl. Joe Toye, Cpl. Robert Wynn, und Pvt. Gerald Lorraine, dem Fahrer des Bataillons-HQ, den Angriff auf das Geschütz in der Stellung 1. Unterdessen feuerten die zwei MG-Teams, bestehend aus Pvts. John Plesha, Walter Hendrix, Cleveland Petty, und Joe Liebgott unentwegt auf die deutschen Verteidiger. Die Deutschen Kanoniere in Geschützstellung 1 sahen sich aus allen Richtungen beschossen und vermuteten natürlich einen Angriff durch starke feindliche Verbände. Sie flohen in Richtung der nächsten Bäume und so konnte die erste Stellung problemlos eingenommen werden.
Im Gemälde „silencing the guns“ von James Dietz , dass im Utah Beach Museum hängt, ist der Augenblick nach der Einnahme des ersten Geschützen dargestellt.
Die Schützengräben, die eigentlich den Deutschen Soldaten einen schnellen und sicheren Weg zu den Geschützen liefern sollten, wurden nun zum großen Vorteil der Angreifer. Winters und sein Team nutzten die Deckung der Gräben, um sich von einer Stellung zur nächsten zu bewegen. Jedes der Geschütze wurde nacheinander unbrauchbar gemacht, in dem man eine Sprengladung um die Mündung wickelte und zur Detonation brachte. Als den Männern die Sprengladungen ausgingen, verwendeten sie deutsche Stilhandgranaten, die sie in die Mündung stopften.
Eine Szene aus der TV-Serie „Band of Brothers“.
Kurz vor der vierten Geschützstellung erreichten Verstärkungen der „Dog“ Kompanie, geführt von 2nd Lt. Ronald C. Speirs, die kleine Truppe. Speirs hatte bereits einen Ruf als ausgezeichneter aber auch extrem aggressiver Offizier. Er führte seine Männer nun zum vierten Geschütz, indem er selbst ungeschützt außerhalb der Gräben die Stellung stürmte.
Nach der Zerstörung der vier Geschütze war die Munition fast aufgebraucht und so befahl Winters den Männern den Rückzug. In einer der Stellungen hatte er außerdem eine Karte gefunden, in der alle Geschütz- und Maschinengewehr-Stellungen der Cotentin Halbinsel eingezeichnet waren. Ein extrem wertvoller Fund, der sogleich an die Führung weitergegeben wurde. Schließlich leitete Winters später am Tag noch das Feuer der 2 ersten Panzer, die mittlerweile vom Strand angekommen waren und so wurde der letzte Widerstand der deutschen Verteidiger gebrochen.
Diesen Plan, der Dick Winters beim Besuch des Schlachtfeldes zeichnete, zeigt den Vorstoß der Truppen und Panzer vom Strand nach Brecourt Manor.
Gegen Mittag erhielt Col. Sink, der sich mit seinem Jeep auf Erkundung befand, die Nachricht, dass es eine weitere Batterie bei Holdy, einem Gutshaus zwischen seinem Kommando-Posten und Sainte Marie-du-Mont die Landungsstrände beschoss und eine Truppe von 70 US-Paratroopern in Schach hielt. Daraufhin wurden Capt. Lloyd E. Patch (Headquarters Company 1st/506th) und Capt. Knut H. Raudstein (Company C 506th PIR) mit weiteren 70 Mann ausgeschickt, um die Stellung der Deutschen einzuschließen. Die Truppe eroberte die Stellung, besetzte außerdem den Ort Sainte Marie-du-Mont und zerstörte 3 der 4 Geschütze. Das letzte Geschütz wurde von Col. Sink gesichert, um es für die eigene Truppe verwenden zu können.
Lt. Winter verlor einen Mann, John D. Halls vom 2. Bataillon der Hauptquartier-Kompanie. Ein weiterer Soldat aus seiner eigenen Kompanie, Robert „Popeye“ Wynn, wurde verwundet. Soldat Wynn wurde nach England zurückgebracht, erholte sich dort, wurde zurückgeschickt und erreichte die „Easy“ Kompanie kurz vor der Operation Market Garden. Ein weiterer Verlust war Offizier Andrew Hill, der zufällig in der Nähe war, als er das HQ des 506th PIR suchte. Außerdem wurden zwei Soldaten aus der D Kompanie getötet, als diese mit Lt. Speirs die vierte Stellung angriffen. Colonel Robert Sink, der Kommandeur des 506th PIR, schlug Winters für eine “Medal of Honor” vor, die jedoch aufgrund der Anweisung, am D-Day nur eine Ehrenmedaille pro Division zu vergeben, auf ein „Distinguished Service Cross“ herabgestuft wurde.
Im Dead Men’s Corner und im Utah Beach Museum sind Ausstellungsstücke von Dick Winters und der Easy Kompanie zu sehen.
Im Jahr 2008 errichtet man ein Monument und Denkmal für die Easy Kompanie. Es liegt an der Abzweigung von der Straße D14, Le Grant Chemin nach Brecourt Manor. Auf dem Gedenkstein sind die Namen der Gefallenen vom D-Day verewigt. Auch die Karte, die Dick Winters vom Angriff auf die Batterie gezeichnet hatte, wurde hier in Stein gemeißelt.
Es gibt ein sehr gutes Buch mit dem Titel, wie sollte es auch anders sein, „Band of Brothers: E Company, 506th Regiment, 101st Airborne from Normandy to Hitler’s Eagle’s Nest“ von Stephen E. Ambrose, also dem Autoren, der auch schon die Ereignisse um die Einnahme der Peagus Bridge beschrieben hat.
